
Interview mit Ruja
Wie alt bist du?
40 Jahre bin ich alt
Welche Hobbys hast du?
Ich höre gerne Musik, treffe mich gerne mit Freunden, meine Kinder und unser schöner Garten.
Bist du berufstätig? Wenn ja, seit wann?
Ich habe Ende November meine Ausbildung zur Altenpflegerin abgeschlossen. Seit dem 01.12.2020 habe ich eine Festanstellung.
Seit wann bist du in Behandlung?
In Behandlung bin ich schon lange nicht mehr.
Mit welchen Problemen hast du früher gekämpft? Und wie sieht es heute aus?
Ich habe stark unter einer Essstörung sowie Selbstverletzendem Verhalten gelitten. Heute muss ich immer mal wieder drauf achten, dass ich an das Essen denke. SVV habe ich seit fast 13 Jahren nicht mehr gemacht.
Nimmst du Medikamente?
Ich nehme nur Medikamente für meine Schilddrüsenunterfunktion.
Hast du Kinder, Familie?
Ich bin seit 2008 mit meinem Mann zusammen. Wir haben drei wundervolle Kinder. Der Große ist fast 12 Jahre, der Mittlere 8 Jahre und die Kleine 5 Jahre alt. Zu unserer Familie gehören auch noch seit vier Jahren 2 Katzen.
Wie sieht dein soziales Netz aus? Erhältst du Unterstützung?
Ich habe einen guten Freundeskreis aufgebaut. Ich hole mir Unterstützung, wenn ich sie brauche, zur Zeit komme ich gut alleine zurecht, ich weiß worauf ich bei mir achten muss ohne das ich wieder in ein Loch falle.
Wie sieht deine eigene Krankheitsgeschichte aus?
Wie sah die aus bei mir? Ich sag mal so, ich hatte schon immer eine Essstörung, schon seitdem ich ein Kind war.
Das erst Mal wo ich SVV gemacht habe war ich ca. 9 Jahre alt, ich habe es aus Wut gemacht, weil meine Mama meine Sachen verschenkt hat.
Ich musste viele schwierige Phasen durchmachen, schon im Kindesalter. Ich habe immer das Gefühl gehabt, ich werde von niemandem gesehen. Mit 11 Jahren habe ich mir Brandwunden zugefügt. Keiner hat die gesehen. Ich wollte mich einfach spüren um zu merken, dass ich noch da bin.
Ich habe bei verschieden Pflegefamilien gewohnt, wo es toll war.
Hatte viele Klinikaufenthalte. 2002 habe ich die Diagnose Borderline bekommen. Was ich nie an mich rangelassen habe. Habe mich erst Jahre später mit der Diagnose abgefunden und auseinandergesetzt. Seitdem ich mich mit der Diagnose abgefunden habe, kann ich besser damit leben. Seitdem habe ich auch keine Symptome mehr. Ich fühle mich freier. Ich bereue nichts auch nicht, dass ich Borderline habe, ich stehe ganz offen dazu. Was ich sonst nie gemacht habe. Ich habe mich immer versteckt, ich wollte nicht, dass die Menschen mich wahrnehmen. Nun möchte ich gesehen werden, geliebt werden und meine Liebe an meine Kinder und an meinen Mann weitergeben und auch andere Menschen, die sich brauchen.
Was hat dich „gerettet“?
Meine Kinder haben mich gerettet und mein Mann. Die haben mir die Kraft gegeben und sie haben mir gezeigt. dass das Leben schön sein kann. Durch meine Familie bin ich ein anderer Mensch geworden. Ich sehe meine Welt nicht mehr schwarz. Meine Welt hat nun bunte Farben bekommen, an denen ich mich jeden Tag erfreuen kann. Auch wenn die Tage mit den Kindern und der Arbeit stressiger sind, so liebe ich mein Leben grade umso mehr.
Führst du ein glückliches Leben? Bist du zufrieden?
Ja ich führe gerade ein tolles Leben, ich fühle mich wieder wohl in meine Haut. Ich bin froh, dass ich das Leben was ich nun führe besser gestalten kann. Das ich das machen kann, worauf ich Lust habe und das, was mir Spaß macht. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal fröhlich bin und das ich das mal spüren kann. Und dass ich Liebe verteilen werde. Ich hätte nie gedacht, dass ich eine Familie haben werde, hört sich wohl grade blöd an. Ich bereue auch nichts an dem Leben was ich vor 20 Jahren gelebt habe, ich bin froh, auch das gelebt zu haben, ich denke ohne meine Geschichte wäre ich nie der Mensch geworden, der ich nun bin.
Glaubst du, das Borderline geheilt werden kann?
Nein geheilt wird man nie von Borderline, sondern man kann nur seinen Weg finden und lernen damit zu leben, mehr auch nicht. Und man sollte auch nicht traurig sein, wenn man zwei Schritte vor gegangen ist und dann wieder einen Schritt zurück mach, man wird dadurch nur stärker und weiß genau, wie man das nächste Mal dagegen steuern kann.
Welche Ressourcen nutzt du, wenn es dir nicht gut geht?
Kann ich grade gar nicht sagen, weil es mir zur Zeit wirklich gut geht.
Welche Charaktereigenschaften schätzt du besonders an dir?
Meine Stärke, dass ich nicht mehr so einfach aufgebe, wenn es mal schwierig wird. Meinen Humor, weil ich vielen Leuten, wenn es denen schlecht geht, ein Lachen auf das Gesicht zaubern kann. Mutig, dass ich was neues in mein Leben gelassen habe und nicht immer wieder zurück schaue was mal war.
Was glaubst du, was deine Familie und deine Freunde besonders an dir schätzen?
Meine Hilfsbereitschaft, ich bin immer da, wenn jemand in Not ist. Mein freundliches Wesen. Meine Unabhängigkeit, dass ich das hinbekomme, was ich mir vornehme.
Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?
Nicht aufgeben, wenn es schwierig wird.
Sich rechtzeitig Hilfe holen, wenn man merkt man kommt alleine nicht weiter.
Ein gutes Gespür für sich selber zu finden.
Sich von andern nicht abhängig machen.
Sich eine Auszeit nehmen, wann man sie braucht.
Sich von anderen Menschen nie einreden lassen das kannst du sowieso nicht.
Offen zu der Borderline Störung stehen, sich nicht verstecken.
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