11. Dezember 2021
Ich habe, wie denke ich jeder hier, schwierige Lebenssituationen hinter mir.
In diesem Text möchte ich ein wenig über selbstverletzendes Verhalten und den Weg dort hinaus schreiben.
Vorgeschichte (Achtung evtl. Trigger)
Ich wurde in Schulzeit gemobbt und hatte diverse andere Dinge erlebt. Schon mit 12 Jahren entdeckte ich die kurzfristig erleichternde Wirkung, wenn ich mich verletzte.
Meine Eltern bekamen von all dem nix mit und ich weinte mich in den Schlaf und Griff mehrfach täglich, oft zu Messer und Rasierklinge.
Damals sah ich nur die vermeintlich positiven Seiten die dieses Verhalten mit sich brachte. Eine damalige Freundin verschaffte sich ebenfalls Erleichterung durch diese Weise.
Nach und nach durchlief ich verschiedene Therapien. Doch ich denke ein wichtiger Punkt kam auch durch eine Situation mit ihr.
Nachdem ich bereits 3-4 Jahre recht selbstzerstörerisch unterwegs war, befand ich mich mit ihr, in der Stadt bei einem Feuerwerk. Zu dem Zeitpunkt wusste ich bereits, dass es längerfristig nicht gut ist, sich selbst zu verletzen. Was sie selbst aber gar nicht interessierte. Ich wollte bereits aufhören, doch ich konnte nicht. Es ist und bleibt eine Sucht. An diesem Tag fragte sie mich nach Werkzeug und damit zog sie mich mit in den Abgrund. Dieser Moment bekräftigte meinen Wunsch daran zu arbeiten nicht mehr zu schneiden.
Nach ein paar Wochen fällte ich eine schwierige, aber dennoch sehr wichtige und wertvolle Entscheidung. Ich hatte zu dem Zeitpunkt nur diese eine Freundin, doch ich verließ sie. Die Angst ganz alleine dann zu sein, war da, aber ich war lieber allein, als mir weiter zu schaden.
Der Kampf begann
Immer öfter versuchte ich nun dagegen anzukämpfen. Erst wurde aus dem mehrfach täglichen „nur“ tägliches SvV. Ich versuchte mich abzulenken. Mit der Zeit machte ich DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie) und später auch „Stepps“(grob ähnliches Programm).
Die Skills (Fertigkeiten) waren das erste an das ich immer wieder erinnert wurde. Problem war nur zu Beginn, dass ich diese irgendwie völlig falsch verstanden oder vermittelt bekommen habe.
„Skills“ wurden zu meinem nervenden Hasswort. Ich verstand sie als lästiges übel, dass man eben machen muss, um von dem Verhalten weg zu kommen. Mit viel zu viel Druck waren alle hinterher mich dazu zu treiben diese Anzuwenden. Doch das führte manchmal zum Gegenteil bei mir. Ich erlebte das machen zu müssen als Zwang und nicht als eigene Entscheidung.
Ich verletzte mich zwar schon wesentlich weniger, doch wirklich Erfolg konnte ich das nicht nennen. Auch führte die Frustration es nicht geschafft zu haben oft zu erneuten Handlungen.
Die 2. wichtige Situation im Kampf dagegen, war vor wenigen Jahren ein Klinikaufenthalt. An sich hatte ich zu dem Zeitpunkt weit über 25 Aufenthalte schon hinter mir, doch ein eigentlich harmloser Satz einer Pflegerin brachte mich zum Nachdenken. Es ging darum, dass ich es nicht für irgendwen anders mache, sondern für mich selbst.
Hoffnungsschimmer
Lange dachte ich darüber nach. Mein Selbstwert war ziemlich im Keller, warum sollte ich was für mich machen? In dieser Zeit ging ich regelmäßig in ein Jugendzentrum, wo ich erstmals viele sehr wertschätzende Menschen kennenlernte. Ich war überwältigt. Die ersten Samen für das eigene Annehmen meiner Person wurden gesetzt. Ich definierte das Wort der „Skills“, was eben für mich sehr negativ besetzt war neu. Sie sollten für und nicht gegen mich sein. Mir im besten Fall gut tun. Seit dieser Wendung hießen sie bei mir „Hakuna Matatas“. Es war nicht viel anders in den Handlungen als das, was ich vorher tat.(Also gezieltes ablenken, mit Hilfe von Sinnesreizen, oder Hirn-Flick-Flacks, wie zB rückwärts zählen) Doch meine eigene Intention war anders. Immer öfter konnte ich für mich einstehen und bewusst die Entscheidung gegen das schädliche Verhalten des Verletzens wählen. Oft vergingen Monate bis ich doch nicht mehr widerstehen konnte.
Wichtig war für mich auch, es nicht als Versagen zu verstehen, sondern als das was es ist: Ein langer Weg mit Rückschlägen aus einer Sucht hinaus.
Das Heute
Mein Weg ist an diesem Punkt noch nicht zu Ende. Über mehrere Jahre kam es nur noch 2x im Jahr zum Einbruch. Hilfreich war auch die Hemmschwelle, die sich mehr und mehr wieder einstellt, je länger die Zeit dazwischen liegt. Dieses Jahr(2021) habe ich es endlich geschafft kein einziges Mal zum Mittel der Verletzung zu greifen. Darauf bin ich stolz und führe es mir immer wieder vor Augen.
Dabei war das Jahr bei weitem kein einfaches. Viele Hindernisse und Herausforderungen musste ich überwinden. Nicht zuletzt das erste Wohnen ganz alleine.
Fazit und Bitte
Wenn man will schafft man fast alles, man muss es eben wollen und sich die Unterstützung holen die man braucht. Und Hilfe zu holen und vor allem auch anzunehmen ist keine Schwäche, es ist eine Stärke.
Falls ihr betroffen seid, oder einfach so Probleme habt. Gebt euch nicht auf. Jeder ist einzigartig und viel stärker als man selbst vielleicht annimmt. Seid es euch wert, gut zu euch zu sein!
Von anderen schlecht behandelt wird man oft genug, da sollte man doch zumindest selbst nett zu sich sein, oder? Macht es euch zum Motto, euch selbst der Beste Freund zu sein.
Und Narben sind nicht schön, aber sie erzählen die eigene Geschichte, doch sorgt dafür das die Geschichte nicht auf dem Körper weiter erzählt wird. Worte sind die schöneren Geschichtenerzähler. 😉
Geschrieben von Shine
16. März 2023
27. Januar 2022