Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ist eine Psychotherapieform, die auf der kognitiven Verhaltenstherapie basiert, jedoch aber auch Elemente anderer Therapierichtungen sowie fernöstliche Meditationstechniken umfasst. Sie wird zur Behandlung von Patienten, die zur Selbst- oder Fremdgefährdung neigen und oft unter einer Borderline Persönlichkeitsstörung leiden, eingesetzt.
Die Therapieform wurde von der amerikanischen Psychologin Marsha M. Linehan in den 1980er entwickelt und ist wissenschaftlich untersucht und erfolgreich auf der ganzen Welt etabliert.
Die DBT wurde von Linehan zunächst als ambulantes Behandlungskonzept für chronisch suizidale Patientinnen mit Borderline-Störung (BPS) entwickelt. Das Therapiekonzept wird mittlerweile im stationären und ambulanten Bereich angewandt.
Zusätzlich kann und wird sie auch auf andere Patientengruppen (Jugendliche, Patienten mit Essstörungen, im Strafvollzug und andere) angewendet und immer weiter spezialisiert.
Besondere Rolle bei der Behandlung von BPS-Patienten kommt der therapeutischen Beziehung zu, da diese Patienten mehr als andere zu voreiligen Therapieabbrüchen, schwierigem Agieren, extremem Negativismus usw. neigen, insbesondere durch ihre diversen Probleme im emotionalen und zwischenmenschlichen Bereich und entsprechendem Mangel an geeigneten Bewältigungsformen. Zwischen den Patienten und Therapeut/Klinik wird ein sog. Commitment (dt: Verpflichtung bzw. Verpflichtungserklärung) geschlossen. Die Patienten verpflichten sich zur Mitarbeit und Einhaltung von Regeln und Abmachungen, der Therapeut verpflichtet sich zur bestmöglichen Hilfestellung. Das Commitment wird regelmäßig während der Therapie geprüft und ggf. erneuert oder modifiziert (erweitert).
Die Patienten führen eine Tagebuchkarte, die sogenannte Diary Card, in die suizidale Gedanken, Selbstverletzungsdrang, Anspannungspannungszustände, Drogen- oder Alkoholkonsum, weitere dysfunktionale Verhaltensweisen, aber auch Skillsanwendung und angenehme und unangenehme Aktivitäten einzutragen sind. Durch Verhaltensanalysen sollen die Betroffenen Einsicht in den Spannungsaufbau erhalten und lernen, das im Fertigkeitentraining Gelernte in Handlungspläne einzubauen. Nach selbstverletzendem Verhalten oder Suizidversuchen werden die Patienten gebeten, solche Verhaltensanalysen selbst anzufertigen, die dann mit der Bezugstherapeutin oder dem Bezugstherapeut besprochen und reflektiert / analysiert werden.
Das Fertigkeitentraining findet regelmäßig, mindestens einmal wöchentlich, statt und besteht aus den fünf Modulen:
Bei der Achtsamkeit lernen die Patienten sich selbst und den Augenblick wahrzunehmen, zu beschreiben und teilzunehmen. Hierbei sind Zen-Einflüsse wiederzuerkennen. Nicht bewertendes, aber konzentriertes und wirkungsvolles Denken und Handeln spielt dabei eine große Rolle.
Im Modul Zwischenmenschlichkeiten Fertigkeiten lernen die Patienten, angenehme und stabile Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Dabei geht es auch darum, zu schauen, ob man eventuell schädliche Beziehungen hat um dann zu gucken, wie man damit umgehen kann. Dann wird versucht, diese Beziehungen durch Gespräche in eine angenehme Richtung zu lenken oder wenn sie gar nicht gut tut, auch ggf. zu beenden.
Bei dem Modul Umgang mit Gefühlen lernen die Patienten, ihr Gefühle wahrzunehmen, sie zu benennen und zu regulieren. Gefühle haben eine Funktion und Bedeutung. Es gibt positive Gefühle wie Freude, Liebe oder auch negative Gefühle wie Angst, Scham, Trauer und Wut. Doch auch diese sind nicht falsch. Jedes Gefühl hat seine Berechtigung. Es ist wichtig, Gefühle zu begreifen, da sie dem Menschen eine Orientierung geben und man im Miteinander erkennen kann, was bei dem Gegenüber gerade los ist.
Im Modul Stresstoleranz lernen die Betroffenen, Spannungen zu reduzieren, Krisen vorzubeugen und wenn sich Krisen anbahnen, damit umzugehen ohne auf selbstschädigende und selbstverletztende (SVV) Verhaltensweisen zurückzugreifen. Wichtig ist es, dass sie lernen, Situationen, die nicht veränderbar sind, radikal zu akzeptieren. In der Therapie wird ein Notfallkoffer mit Skills angelegt, der einem helfen soll, unangenehme Situationen zu meistern.
Beim Modul Selbstwert soll der Betroffene erlernen, dass auch er etwas wert ist. Die Haltung zu sich selbst soll verbessert werden, es soll erlernt werden, auf sich zu achten, sich selbst zu lieben und sich um sich selbst zu sorgen und zu kümmern. Ziel der Übung ist der Aufbau eines gesunden Selbstvertrauens und Selbstakzeptanz.
In suizidalen Krisen oder bei starkem Selbstverletzungsdrang können die Patienten ihre Therapeuten anrufen. Im Vorfeld muss die telefonische Errreichbarkeit geklärt werden und richtet sich auch nach den Grenzen der Therapeuten. Die Telefongespräche sollen nach bestimmten Regeln ablaufen. Die Patienten berichten, warum sie sich in einer Krise befinden und welche Fertigkeiten sie bereits ausprobiert haben. Therapeut und Patienten besprechen dann die Fertigkeiten, die die Betroffenen einsetzen sollen. Dazu ist es hilfreich, wenn die Patienten gelernte Fertigkeiten benennen können.
Verletzen sich die Patienten selbst, oder begehen sie einen Suizidversuch, sollte dies nicht durch vermehrte Zuwendung verstärkt werden, was nicht leicht zu realisieren ist. Ziel ist, dass die Patienten im Nachhinein Verhaltensanalysen dieser Situationen anfertigen.
Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) hat in bisher vorliegenden randomisierten, kontrollierten Studien (Langzeitstudien, bei denen die Patienten zufällig den Behandlungsbedingungen zugeordnet werden) moderate, also mittlere Effekte erzielt. In den Therapievergleichstudien zeigten sich deutlich positivere Behandlungsverläufe und überzeugendere Therapieerfolge gegenüber den konventionellen verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Der Wirksamkeitsnachweis ist für die DBT durch unterschiedliche Studien vor allem für das Problemverhalten als Zielgröße, z. B. „suizidales“ und „selbstverletzendes Verhalten“, aber auch „hospitalisationsförderndes Verhalten“ erbracht worden (siehe Linehan et al. 1999, 1998; Bohus, Martin et al. 1996). Die Überlegenheit bzgl. der sozialen und beruflichen Integration sowie der Hospitalisierungsdauer war auch ein Jahr nach Abschluss der Therapie noch nachweisbar (zusammenfassend Bohus et al. 1996; Linehan et al. 1993; kritisch dazu Dammann u. a., 2000).